Neue Geschichten von Herrn Blyantur
Kleenkoschen I
Er hatte es in den Kalender geschrieben.
Es stand schon viele Jahre im Kalender.
Immer am 11. Februar
stand geschrieben „Jahrestag der letzten Kippe“. Es stand nicht dabei,
der wievielte Jahrestag es war, denn Herr Blyantur wollte sein
Gedächtnis nicht rosten lassen und es in jedem Jahr erneut nachrechnen.
In diesem Jahr errechnete er den 17. Jahrestag. Und weil er nun schon
mal beim Rechnen war, rechnete er aus, dass er nun länger nicht
geraucht hatte, als er jemals geraucht hatte.
Wie seine Raucherlaufbahn begonnen hatte, wusste er noch ganz genau.
Es waren Sommerferien und er wollte sich ein Sakko kaufen. Doch das
Geld dafür musste er sich verdienen.
In der so genannten Kaderabteilung des Betriebes traf er auf eine Frau,
deren blonde Haarpracht der Mode entsprechend, steil nach oben toupiert
war.
Sie konnte drei Dinge gleichzeitig machen. Sie schrieb ohne auf die
Tasten zu gucken den Arbeitsvertrag, redete mit ihrer Kollegin am
anderen Schreibtisch und rauchte unentwegt. Die Zigarette hatte sie aus
einer rot-weißen Pappschachtel, auf der CASINO geschrieben stand,
gezogen und mit einem Streichholz angezündet, bevor sie begann, den
Arbeitsvertrag zu schreiben.
Das Streichholz benutzte sie, weil das Gasfeuerzeug noch gar nicht
erfunden war.
Ausgerüstet mit diesem Vertrag machte sich Curt am nächsten Tag ganz
früh am Morgen auf den Weg zu der Arbeitsstelle in Kleinkoschen. Die
Einheimischen allerdings sagten niemals Kleinkoschen, sondern stets nur
Kleenkoschen.
Hinter der Elsterbrücke ging es eine holprige Werksstraße entlang bis
zu dem Komplex von Werkstattgebäuden und Baracken dicht am Tagebaurand.
Dort wurde er und zwei weitere Jungen, die aber zwei Jahre älter als er
waren, vom Meister empfangen.
Der sprach: „Mein Name ist Gunter Krämer. Die Pünktchen bitte auf dem
Nachnamen lassen.“ Und lachend fügte er hinzu: „Sonst würde ich Günter
Kramer heißen. Das hätte meine Mutter nicht gewollt.“
Dann sagte er, dass es zwei Pausen gäbe, Frühstück und Mittag. Sollten
sie zwischendurch rauchen wollen, hätten sie in die Meestabude zu
gehen, denn draußen wäre Rauchverbot.
Curt hatte zwar schon manchmal geraucht, aber zu den Rauchern zählte er
sich nicht. Meist tat er es, wenn er mit Kumpels im Durchgang zum Kino
stand, um den Mädchen zu imponieren.
Seine Arbeit bestand darin, in einer der Baracken Teile aus den
Regalfächern zu nehmen, abzustauben, das Regalfach zu säubern und die
Teile wieder einzuräumen. Eine reine Beschäftigungstheorie also.
Weil es das Materiallager der Elektriker war, lernte er dabei
wenigstens, was ein Schütz und ein Motorschutzschalter war, denn das
stand an den Schildern am Regalfach.
Seine beiden „Kollegen auf Zeit“ gingen des öfteren in die Meestabude,
eene roochen. Und Cutti ging mit. Allerdings, ohne zu rauchen. Das aber
missfiel dem Meister Krämer. Rumsitzen ginge nicht. Eine rauchen wäre
was anderes.
Und so kaufte sich Curt eine Zehnerpackung Zigaretten der Marke
JUBILAR.
Und so wurde er dann zum Raucher, der er blieb, bis er schon lange
nicht mehr Cutti war.
Sein
langes Raucherleben lang gab er aber insgeheim stets dem Mann die
Schuld, der Meesta genannt werden wollte und Wert auf die Pünktchen
legte, die den dritten Buchstaben seines Nachnamens zierten.
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