Neue Geschichten von Herrn Blyantur
Saunagänge
„Das ist aber schön, Sie auch mal wieder zu sehen.“
Das sagte die hübsche Veronika, als Herr Blyantur nach fünf Jahren
Pause die Sauna aufsuchte.
Mit einer solchen Begrüßung hatte er nicht gerechnet. Schließlich war
er fünf Jahre lang „fremdgegangen“ in die Sauna eines Sportstudios,
genannt „die Muckibude“.
Nun
also war er wieder mal hier. Der Rundgang bescheinigte ihm, dass sich
soviel nicht verändert hatte. Den Saunaraum hatte man vergrößert und
seinen Eingang verlegt.
Wände und Decke war noch im Design der Anfangszeit.
Wie die Maler das gemacht hatten, das wusste Herr Blyantur nicht und
konnte es auch nicht erfahren. Es sei schon so gewesen, als sie die
Sauna übernahmen. So erklärte die hübsche Veronika es.
Die Wand war braun und orange gestrichen und es sah aus, als wenn die
braune Farbe mit irgendeinem Wischwerkzeug über den orangenen
Untergrund verteilt worden wäre.
Es war ja auch egal, wie es gemacht worden war.
Herr Blyantur
jedenfalls sah, wenn er nur lange genug auf die Wand sah, Gesichter
erscheinen. Nicht Gesichte, nein Gesichter.
Herr Blyantur sah also Gesichter auf der Wand. Eines sah aus, wie der
Zauberer Hotabb, den er aus einem sehr alten sowjetischen Kinofilm
kannte. Das war der gewesen, der bei einem Fußballspiel 22 Fußbälle vom
Himmel regnen ließ, damit jeder auf dem Platz seinen eigenen haben
konnte. Mancher mag jetzt denken, das ist doch einer zuviel, denn einer
war ja schon im Spiel. Wer so denkt, hat den Schiedsrichter vergessen.
Ein anderes Gesicht schien einem Mädchen mit Bubikopf, das sich ein
Handtuch vor den Mund hielt, zu gehören. Diese beiden konnte er jedes
Mal wieder erkennen. Das war deshalb so einfach, weil das Handtuch des
Mädchens gleichzeitig der Turban vom Zauberer Hotabb war. Auch andere
Gesichter glaubte er zu sehen. Herr Blyantur versuchte immer, diese
eine Saunaliege zu besetzen, von der aus er die braunorangene Wand
betrachten konnte.
Schon einmal hatte er solche Assoziationen gehabt.
Da hatte er
aber nicht auf einer Saunaliege gelegen, sondern im Sand des
Ostseestrandes. Und er hatte auch keine Wand betrachtet, sondern in den
Wolkenformationen geforscht.
Einmal nun geschah es, dass Herr
Blyantur seinen Bademantel nicht finden konnte, als er sich nach dem
zweiten Saunagang mit Aufguss und nach der Abkühlung im Tauchbecken in
diesen einwickeln wollte. Er suchte alle Haken in der Sauna ab und
fragte sogar bei der hübschen Veronika nach, ob sie wüsste...
Sie wusste nicht.
Da marschierte Herr Blyantur, umhüllt nur von einem Handtuch, zu der
besagten Saunaliege.
Dort drauf lag aber schon jemand.
Der Bademantel, in den dieser Jemand gehüllt war, sah verdammt dem
Bademantel von Herrn Blyantur ähnlich.
Herr Blyantur beugte sich hinunter und sagte leise aber vernehmlich
zu dem Mann: „Können sie mal bitte in die linke Bademanteltasche
greifen und mir meine Brille geben?“
So schnell hatte Herr Blyantur
noch niemals einen Mann von einer Liege springen und sich einen
Bademantel regelrecht vom Leibe reißen sehen.
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