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Winterkampf


Irgendwie war er in dem Zwischennetzportal, das man mit DuGlotze übersetzen kann, auf Seiten gestoßen, die sich mit der Lausitzer Braunkohlentradition befassten. Da sah Herr Blyantur in einem Video, wie die beiden Schornsteine, an deren Bau er während einer Ferien-
arbeit indirekt beteiligt gewesen war, gesprengt wurden.
War er noch Schüler gewesen oder schon Student.
Er wusste es nicht mehr, tendierte aber zu Schüler.
Nur eines weiß er noch, es ging um viel Geld. Was man auch immer in den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als Schüler unter „viel Geld“ verstanden haben mag. Bezahlt wurde der Einsatz in den Weih-
nachtsferien für den sich Herr Blyantur beworben hatte, mit der Lohngruppe 4 für ungelernte Arbeiter. Dazu aber kamen der Schmutz-
zuschlag, der Feiertagszuschlag und der Zuschlag für die Nachtarbeit. Und man hatte als Schüler keine Abzüge.
Es war Weihnachten, es war Winter und kalt war es zudem auch noch gehörig in dem Jahr. Die Klappen der Waggons, die mit der klitschenassen Rohbraunkohle aus dem Tagebau in die Brikettfabrik gefahren wurden, mussten beheizt werden, damit die Kohle nicht daran festfror. Das geschah, indem man in solche stählernen Schub-
laden in den Klappen Kohleglut und Briketts hinein tat. Mit einem eisernen Haken zog man die Schubladen heraus, schüttelte sie und die Asche fiel heraus. Wenn noch genügend Glut übrig war, legte man nur Briketts darauf. Fiel auch die Glut durch das Rost, musste mit einer kleinen Schaufel Glut aus einem Glutkorb nachgefüllt werden.
Es war eine sehr schmutzige Arbeit. Noch schmutziger wurde sie, weil Herr Blyantur und seine Kumpels die glühende Asche in die Höhe warfen und sich am Funkenregen erfreuten.
Der Umweltschutz war da noch nicht erfunden. Nicht mal als Wort.
Das gab es erst seit den Siebzigern.
Er hatte die ältesten Klamotten rausgesucht und angezogen.
In der Zeit zwischen zwei Zügen saßen sie in einer kleinen Bude, in der ein sogenannter Kanonenofen regelrecht glühte.
Am Abend des 1. Weihnachtsfeiertages ging plötzlich die Türe der Bude auf.
Zwei Frauen, deren weiße Kittel unter den blauen Wattejacken hervor-
lugten, erschienen mit zwei großen runden Thermophoren.
Sie servierten völlig überraschend jedem der Anwesenden ein halbes Brathähnchen. Für die damalige Zeit war das sehr außergewöhnlich.

Einen Effekt aber hatte diese Aktion.

Herr Blyantur musste seine Stullen ungegessen wieder mit nach Hause nehmen.

 
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