Einwortgeschichten
Wanderstock
Er war im Elbsandsteingebirge im Urlaub.
In einem Ort namens
Lichtenhain.
Kein Fremder würde diesen Ortsnamen kennen, gäbe es nicht
unweit des Ortes im Tale des Flusses Kirnitzsch einen künstlichen
Wasserfall.
Die meisten Urlauber wissen es aber nicht, dass der
Lichtenhainer Wasserfall nach dem Ort oben auf dem Berg benannt ist.
Woher auch. Man kann von Bad Schandau an der Elbe aus mit einer
Straßenbahn bis zu diesem Wasserfall fahren. Pünktlich eine
Viertel- stunde nach dem Eintreffen der Straßenbahn öffnet sich die
Schleuse und das Wasser stürzt über die Sandsteinfelsen hinunter. Man
kann die Strecke von der Haltestelle der Bahn bis zum Wasserfall
bequem schaffen, wenn man nicht bummelt. Belichtungszeit und Blende
braucht man an den digitalen Kameras nicht mehr einzustellen und so
kann die Knipserei losgehen.
Herr Blyantur hatte das Schauspiel mehrfach erlebt. Einmal hatte er den
Weg bergan beschritten, um zu sehen, wieviel von dem ange- stauten Wasser
wohl aus dem Speicherbecken abfließt, wenn der Was- serfall das Wasser
fallen lässt. Erstaunlicherweise waren es nur ge- schätzte acht
Zentimeter, die sich der Wasserspiegel senkte. Er hatte gedacht, das
Becken würde vollkommen leer laufen. In dem Falle falsch gedacht.
Nach
einigen Minuten schließt sich die Schleuse und der Lichtenhainer Bach
hat Gelegenheit, die acht Zentimeter wieder aufzufüllen.
Bis zur
nächsten Straßenbahn.
Bei einer der Wanderungen durch das Kirnitzschtal fand Herr Blyantur
einen Knüppel, der ihm als Wanderstab brauchbar schien. Er nahm ihn
mit. Er würde ihn bearbeiten, um ihn griffiger zu gestalten. Damit aber
hatte er ein Problem. Herr Blyantur besaß kein Schnitzmesser.
In der
nächsten größeren Ortschaft fand er in einem Laden für
Wan- derausrüstungen und Jagdbedarf ein französisches Messer, dessen
Klinge man durch das Drehen eines Ringes arretieren konnte. Damit
schnitzte er nun an seinem Knüppel so lange herum, bis dieser einen
schönen abgerundeten glatten Griff hatte. Die Rinde unter dem
Griff- stück verzierte er mit Zickzackkerben und Schlangenlinien.
Bei einer der nächsten Wanderungen bestaunten während einer Rast zwei
ihm fremde Wanderfreunde seinen Stock.
„Wo haben sie den denn her?“, fragte einer in unverkennbarer
süd- deutscher Mundart.
„Selber gemacht.“, sprach Herr Blyantur.
Und mit einem erstaunten Ausdruck im Gesicht und der Unwissenheit eines
Menschen, der niemals den polytechnischen Unterricht genießen durfte,
sagte der Wanderbursche: „Sowas können sie?!“
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