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Postkarte

Der Künstler hatte sich, als er erfahren hatte, dass er an Krebs erkrankt war, hingesetzt und siebenundsechzig oder mehr Geschichten aufge-
schrieben. In dem Buch, das Herr Blyantur sich ausgeliehen hatte, waren es jedenfalls siebenundsechzig Geschichten, die darin abgedruckt waren. Alle siebenundsechzig beeindruckten ihn sehr. Der Buchtitel „Treibsand“ ist ja eher nichtssagend, aber der Untertitel „Was es heißt, ein Mensch zu sein“ und schlussendlich der Name des Künstlers hatten ihn bewogen, das Buch auszuleihen. Bisher hatte er von diesem Künstler allerdings nur all seine Krimis und die meisten seiner Afrikaromane gelesen. In diesem geliehenen Buch nun fand er eine Karte aus Pappe in der Größe einer Postkarte. Sie war gelb-blau quergestreift.
Jemand, der das Buch ausgeliehen hatte oder dem das Buch gehörte, bevor er es der Bibliothek schenkte, hatte die Karte darin vergessen. Nun ist es ja nicht unbedingt was Besonderes, ein Etwas in einem Buch aus der Leihbibliothek zu finden, das als Lesezeichen gedient hat. Herr Blyantur hatte oft selber irgendwelche Fotos als Lesezeichen. Aber in die gelben Streifen der Karte ist mit blauem Kugelschreiber ein Text hinein-
geschrieben. Er beginnt mit „Liebe Sandra“ und es folgt ein kleines Herz, das mit rotem Stift ausgemalt worden ist. Der Text enthält noch weitere zwei Herzchen der gleichen Art. Wer mag es wohl gewesen sein, der die Karte mit dem verzierten Text in dem Buch vergessen haben könnte? War es die Schreiberin der Karte oder die Empfängerin?
Diese Fragen beschäftigten Herrn Blyantur eine geraume Weile. Dass es eine Schreiberin war, daran bestand kein Zweifel. Werden doch selten Männer mit „Silvie“ benannt. So zumindest lautete die Unterschrift auf der Karte. Beim Lesen des Buches fand er dann die Antwort.
Es war wohl doch die Schreiberin der Karte. In dem Buch waren nämlich an etlichen Stellen links oder rechts einiger Zeilen kleine rote Striche gesetzt worden. Wohl, um den einen oder anderen Gedanken des Dichters hervorzuheben. Was diese Gedanken nach der Meinung des Herrn Blyantur durchaus verdient hatten.
Die Markiererin hatte den gleichen Stift benutzt, mit dem sie auf der Karte die kleinen Herzchen rot ausgemalt hatte.
Und die „Liebe Sandra“ hat die Karte nicht erhalten.
Schade.

 
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