Einwortgeschichten
Fahrrad
Es war grün.
Es war nicht der politischen Überzeugung nach grün. Die gab es
damals noch nicht. Es hatte die Farbe grün. Das war aber nicht die
originale Farbe. Die konnte man unter der grünen Schicht nicht sehen.
Es war grün angepinselt. Und es war gebraucht. Vorher hatte es dem Sohn
des Bürgermeisters gehört. Dieser bekam ein neues und Herr Blyantur,
der da noch Cutti gerufen wurde, bekam sein abgelegtes zum Geburtstag
geschenkt.
Es war sein erstes Fahrrad. Radfahren konnte er da schon. Das
hatte er auf dem schwarzen Damenfahrrad seiner Mutter gelernt. Auf den
Pedalen stehend, weil er den Sattel nicht erreichen konnte bei
seiner Größe, hatte er es sich beigebracht.
Nun hatte Cutti sein eigenes Rad. Es hatte einen Lenker, der wurde
Gesundheitslenker genannt. Heute haben die Hollandräder einen solchen.
Er musste nun nicht mehr zur Schule am Marktplatz laufen, sondern
konnte fahren. Nach der Schule fuhr er mit einigen Klassenkameraden zum
Mittagessen in die Kantine der Brikettfabrik, von der man heute nur noch das Verwaltungsgebäude und die
Waschkaue sehen kann, die beide ungenutzt in der Gegend herumstehen.
Der Heimweg führte danach durch eine mit Büschen, Birken und
kleinen Kiefern bewachsene Brache. Den Weg hatten viele Radfahrer, die
abkürzen wollten, angelegt. Er umkurvte die Bäume und Büsche und bot eine
vorzügliche Rennstrecke.
Cutti war meist der Verlierer bei den Wettfahrten mit seinen Klassen-
kameraden quer durch diese Wildnis.
Weil er das aber ändern wollte, übte er manchmal heimlich ganz alleine
am Nachmittag.
Als er die Strecke dann ziemlich sicher in einer annehmbaren Zeit
zurücklegen konnte, ohne zu stürzen oder in den Büschen zu landen,
hatte er keine Gegner mehr.
Es waren Schulferien.
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