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Stapel


Herr Blyantur hatte in der Zeitung gelesen, es ginge der Trend hin zum papierlosen Büro. Die Rechentechnik würde es richten.
Das kann nichts werden, dachte er und erinnerte sich an den letzten seiner Chefs.
Dem musste er immer die Mails ausdrucken. Nicht, weil der das nicht gekonnt hätte. Nein, einzig, weil der auf dem Standpunkt beharrte, Computer wären was für's Fußvolk. Herr Blyantur war Fußvolk.
So druckte er also die Mails, die für seinen Chef bestimmt waren jedesmal aus. Wenn diesem die Schrift zu klein war, vergrößerte er die ausgedruckte Seite am Kopierer auch schon mal auf DIN A3.
In der Zeit des computerlosen Büros saß er in einem Raum mit seinem Kollegen Henry. Ihre Schreibtische waren gewissermaßen Rücken an Rücken zueinander aufgestellt.
Ein Eigenbau-Bausatzradio war paritätisch auf die Schreibtische platziert, stand also auf der Fuge zwischen den beiden Tischen.
Auf den Schreibtischen sah es meist chaotisch aus. Papierstapel dort, wo heutzutage Monitor und Tastatur beheimatet sind.
Bei Henry waren es genau zwei Stapel Papiere. Einer links, der andere rechts aufgeschichtet. Kam ein Anruf wegen einer Auskunft zu einem der Papiere, suchte Henry zuerst den Stapel durch, in dem er das Papier vermutete. Fand er es dort nicht, durchforstete er den anderen.
War es dann gefunden, war die Auskunft erteilt oder die Bearbeitung zugesichert, lag das Blatt erst mal obenauf.
Henrys Devise lautete: Wenn etwas lange genug weit genug unten im Stapel liegt, hat es sich erledigt durch Liegenlassen.
Stand dann der Jahresurlaub bevor, wurde aufgeräumt. Damit man einen sauberen Schreibtisch hinterließ.
Bei Henry hieß das, er räumte beide Stapel nebeneinander in das Schränkchen, das sich unter dem Tisch befand. Alle beiden Türchen zu und ab in den Urlaub. Heute hat man unter dem Schreibtisch solche Container mit Schubladen.
Das Problem begann, wenn während des Urlaubs jemand vom Henry etwas wissen wollte. Dann war Herr Blyantur gefragt.
Er war die Urlaubsvertretung.
Also wurden die Stapel aus dem Schränkchen genommen, das Papier gesucht und meist gefunden, die Auskunft erteilt und abschließend die Stapel wieder hinter die Türchen versteckt.
So ging das andauernd den ganzen Urlaub hindurch.

Was sich tat, wenn anschließend Herr Blyantur in den Urlaub ging, erfuhr er nie.

 
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