Geschichten von Herrn Blyantur
Herrn Blyantur und das Album
Herr Blyantur ist schon ein etwas seltsamer Mensch. Neulich saß
er im Ohrensessel in seinem Haus, das oben auf dem Hügel steht, dort,
von wo alle Wege nach unten führen und döste vor sich hin.
Irgendwo hatte er kürzlich gelesen, dass man ein Fotoalbum haben sollte.
Er hatte keines. Also beschloss er, sich ein solches zuzulegen.
Er
begann sich auszumalen, wie es sein würde, wenn irgendwann ein-
mal einer
seiner Nachkommen beim Durchstöbern seines Büchernach-
lasses auf das
Album stieße.
Wie er es aus dem Regal nehmen, den Staub von der oberen
Kante ab-
pusten und es ehrfurchtsvoll aufschlagen würde.
Seite um
Seite würde dieser Nachfahre weiterblättern, immer darauf bedacht, das
Seidenpapier zwischen den Albumseiten, das dann schon leicht brüchig
sein würde, nicht zu zerstören. Voller Ehrfurcht würde er die alten
Fotos betrachten, die das Album enthielte.
Herr Blyantur schreckte aus seinem Tagtraum.
Sein Kater war ihm auf den Schoß gesprungen.
Er
stand auf und zog sich an. Wenn er sich etwas vornahm, dann schob er es
meistens nicht auf die lange Bank. Er zog sich also nicht nur
schlichtweg an, er mummelte sich regelrecht ein. Es war kalt draußen,
denn es war Winter und der Weg war weit. Er trat vor die Haustür auf
den eisernen Abtreter, schloss die Tür ab und verstaute den Schlüssel
in der Jackentasche. Vorsichtig ging er die drei Stufen hinunter, die
er zwar von Schnee und Eis gesäubert hatte, auf denen sich aber schon
wieder ein dünner Eisfilm bildete. Er schritt nun zügig aus, denn den
Weg zum Gartentürchen hatte er am Morgen mit Sand bestreut. Vorbei an
seinem amerikanischen Briefkasten mit dem roten Pfeil, an dem er
erkannte, ob der Postmensch etwas eingeworfen hatte, marschierte er die
Straße entlang, die in den Ort hinunter führte. An der abgebro-
chenen
Kiefer, an der man das Schild angebracht hatte, das jedem Fremden den
Wanderweg markierte, verließ er die Straße. Er stapfte am Waldrand
entlang den Hang hinab. So sparte er mindestens einen halben Kilometer
ein gegenüber dem Weg die Straße entlang. Zuerst ging es sich noch gut
durch den Schnee und Herr Blyantur war fast geneigt, ein Wanderliedchen
anzustimmen.
Er fühlte sich wohl. Als er jedoch vorne an der Kante
des Waldes angelangt war, dort wo sich der Rastplatz für die Wanderer
befand, wurden der Wind und die Schneeverwehungen immer heftiger. Da
klappte er die Kapuze hoch und stelzte wie ein Storch durch den ho-
hen
Schnee weiter. In der Ferne konnte er schon die Häuser des Ortes sehen.
Als
er im Ort angekommen war, lief ihm der Schweiß aus den Achsel-
höhlen an
den Körperseiten hinab. Es kitzelte und ihn fröstelte leicht. Er ging
schnurstracks in den Laden. Vorher klopfte er sich aber den Schnee von
den Hosenbeinen ab und stampfte kräftig mit den Füßen auf, um den
Schnee auch von den Schuhen abzuschütteln.
Die Besitzerin hieß Wera.
Den Namen konnte er sich aus zweierlei Gründen merken. Erstens war Wera
in die Schule gegangen, in der auch er die Schulbank gedrückt hatte.
Allerdings zwei Klassen unter ihm. Und zweitens schrieb sie ihren
Vornamen wie er auch seinen auf eigenartige Weise. Nämlich mit
einem W. Andere Frauen mit diesem Namen, die er kennengelernt
hatte,
begnügten sich mit dem übli-
chen V. Sie aber legte Wert darauf, Wera
mit W zu schreiben. Genau, wie er inzwischen Wert auf
das C am Anfang seines Vornamens
legte.
Bei
ihr konnte man Zeitungen, Schreibblöcke, Diarien und Schulhefte kaufen
und Lotto spielen.
Auch Fotoalben waren im Angebot vertreten.
Herr
Blyantur schwatzte ein Weilchen mit ihr und ließ sich dann gerne
beraten. Schließlich kaufte er eines der drei Alben, die sie ihm
gezeigt hatte.
Kaum war er zurückgekehrt in die warme Stube, schon
setze er sich in den Sessel, packte das erworbene Fotoalbum aus dem
Karton aus, wickelte das Umschlagpapier ab, strich vorsichtig mit der
flachen Hand über den roten Kunststoffdeckel mit der eingeprägten Rose
und träumte sich Geschichten, die das Album einmal erzählen würde.
Und dann fasste Herr Blyantur einen Entschluss.
Als nächstes würde er sich einen Fotoapparat kaufen.
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Die Texte
Das
Notizbuch des Herrn Blyantur
Herr
Blyantur und das gestörte Verhältnis
Herr
Blyantur feiert Weihnachten
Herr
Blyantur und das Regal
Herr
Blyantur und das Album
Herr
Blyantur besichtigt ein Gotteshaus
Herr
Blyantur rettet die Welt
Herr
Blyantur und das Geräusch
Ännes
Eiche
Herr
Blyantur und die Unendlichkeit
Die
Zeit des Herrn Blyantur
Paragraphenhengst
&
Herr Blyantur bestellt ein Wasser
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