Startseite

Ich selber

Wie ich zum
Schreiben kam

Mein erstes Gedicht

Nienhäger
Depressionen

Wege und Bäume

Vergangene
Erinnerung

Eifelblicke und
andere Ansichten

Herr Blyantur
rettet die Welt

Neuigkeiten von
Herrn Blyantur

Schulzeit

 

Foto


| Impressum | Echo | Startseite |   


 

Geschichten von Herrn Blyantur


Das Notizbuch des Herrn Blyantur



Warum er es getan hatte, wusste er so recht nicht.
Doch er hatte es getan.
Er hatte das rosafarbene Buch eingepackt.
Er nannte es sein Notizbuch. Einen kurzen Moment lang dachte er, man könnte es Skizzenbuch nennen, doch das passte wohl eher zu einem Zeichner.
Ein solcher aber war Herr Blyantur nicht.
Es war ein mit stabilen, an den Kanten schon leicht beschädigten
Pappdeckeln von verwaschener rosa Farbe eingefasstes Buch. Vorne in dem Kästchen für die Beschriftung stand das Wort „Eingaben" und darunter „AGL 16". Ganz dunkel erinnerte sich Herr Blyantur, woher er dieses Buch hatte. Wenn man es aufschlug, konnte man sehen, dass etliche Seiten herausgerissen worden waren. Darauf hatten die Eingaben an die ominöse AGL 16 gestanden.
Es waren aber noch genügend leere kleinkarierte Seiten übriggeblieben. Deshalb wohl hatte es Herr Blyantur nicht übers Herz gebracht, es wegzuwerfen.
Und so hatte er es mit in den Urlaub genommen.
Herr Blyantur war an die Ostsee gefahren.
Das Hotel hoch oben über der steilen Küste lehnte sich mit einer Seite an einen Buchenwald, den die Einheimischen den Gespensterwald nannten.
Nachdem er sein Gepäck im Zimmer verstaut hatte, ging er an den Strand hinunter.
Und da fiel ihm ganz plötzlich eine Geschichte ein.
Herr Blyantur ärgerte sich, dass er das Buch nicht mitgenommen hatte. Sobald er in das Zimmer zurückgekehrt war, notierte er auf der ersten Seite seine Geschichte. Fortan schleppte er das Notizbuch überall mit hin. Meist schrieb er zwar erst nach den Wanderungen und Ausflügen seine Gedanken in das Büchlein, doch einmal geschah das auch während eines Ausflugs. Er saß in einem Lokal in dem Ort mit dem historischen Leuchtturm und dem Café mit dem ulkigen Dach.
Er blickte auf die Schiffe, die am Kai vertäut waren und auf die Menschen, die geruhsam daran vorbei defilierten und schrieb in das rosafarbene Büchlein.
Die Leute an den Nachbartischen guckten zwar und tuschelten miteinander.
Herrn Blyantur entlockte das aber nur ein stilles Schmunzeln.
Am Ende des Urlaubs hatte er zahlreiche kleine Geschichten auf die karierten Seiten geschrieben. Manchmal aber auch nur die Überschrift einer Geschichte oder kurze Stichpunkte.
Er würde daraus schon richtige Geschichten machen.
Auf der Heimfahrt hin zu seinem Hügel, den manche auch Berg nann-
ten, überlegte er sich schon, wie sein Büchlein einmal aussehen würde. Auch ein Titel fiel ihm ein. Er fieberte schon dem Moment entgegen, wenn das Buch fertig sein würde.
Kaum war er in seinem Haus angekommen, packte er die Reisetasche aus.
Das Notizbuch war nicht da.
Er durchsuchte seinen Rucksack, ja er guckte auch in die Fächer des Rucksacks, in die schon wegen der Größe das Notizbuch nicht hinein-
passen konnte. Nochmals suchte er in der Reisetasche.
Er durchwühlte sogar die schmutzige Wäsche, die er aus der Tasche auf den Fußboden geworfen hatte.
Das Notizbuch war nicht da.
Herr Blyantur war am Boden zerstört.
Er rief im Hotel an. Man möge doch bitte in seinem Zimmer suchen.
Er beschrieb mit blumigen Worten sein Notizbuch.
Man versprach ihm, sich darum zu kümmern. Er solle später nochmals anrufen.
Vielleicht liegt es ja im Auto, dachte sich Herr Blyantur und ging nach draußen. Als er die Haustür durchschritt, durchzuckte ihn ein furcht-
barer Schreck. Er konnte grade noch den Fuß in die Türe stellen. Fast wäre das passiert, wovor er sich so sehr fürchtete. Fast wäre er drau-
ßen gewesen vor der zugeschlagenen Tür und der Schlüssel hätte von innen im Schloss gesteckt. Das war ja noch einmal gut ausgegangen, dachte er.
Herr Blyantur untersuchte nun das Innere des Autos. Er kroch regel-
recht unter die Sitze. Er räumte den Kofferraum aus und sah sogar dort nach, wo sich das Ersatzrad befand.
Das Notizbuch war nicht da.
Er rief ein weiteres Mal im Hotel an. Man hatte nichts gefunden.
Da setzte sich Herr Blyantur an den Küchentisch und begann sein Gedächtnis zu durchforsten nach den Geschichten, die sein rosarotes Notizbuch enthalten hatte.

Es würde wohl sehr mühselig werden.

Als Herr Blyantur seine Reisetasche oben im Schrank verstauen wollte, fiel ihm etwas entgegen.
Es war das Notizbuch.
Es hatte sich unter die Versteifungspappe am Grunde der Tasche verkrochen.
Herrn Blyanturs Augen wurden feucht von den Tränen der Freude.

Aus diesen Geschichten wurde schließlich sein erstes Büchlein.




Foto

Die Texte


Das Notizbuch des Herrn Blyantur

Herr Blyantur und das gestörte Verhältnis

Herr Blyantur feiert Weihnachten

Herr Blyantur und das Regal

Herr Blyantur und das Album

Herr Blyantur besichtigt ein Gotteshaus

Herr Blyantur rettet die Welt

Herr Blyantur und das Geräusch

Ännes Eiche

Herr Blyantur und die Unendlichkeit

Die Zeit des Herrn Blyantur

Paragraphenhengst &
Herr Blyantur bestellt ein Wasser



   © 2010 by Rolf Schapp •