karandasch, der russische Bleistift

14 Werkzeuge und Erlebnisse mit diesen

Schere

„Messer, Gabel, Schere, Licht,
sind für kleine Kinder nicht.“,
war ein Spruch, den ich als kleines Kind zu hören bekam.
Heutzutage gibt es Scheren für Kleinkinder, mit denen sie sich nicht verletzen können.
Scherenschnitte aus schwarzem Papier habe ich als Kind angefertigt und einen davon mit Rahmen – das weiß ich noch – an meinen Lieblingsonkel verschenkt.
Beim Friseur hat man heute die Wahl zwischen Schere und Maschine.

Die Schere, von der meine Geschichte aber handeln soll, war eine riesige Maschine.
Ich arbeitete als Reparaturschlosser im Autowerk in Ludwigsfelde in der Industrieschmiede. Dort gab es nur Riesenmaschinen.
Manche Maschinen waren so groß wie ein kleines Haus. Schmiedehämmer und Schmiedepressen bearbeiteten glühende Stahl-
stücke zu Teilen für den LKW. Doch vorher mussten die Stücke von vielleicht zehn Meter langen Stahlstangen abgeschnitten werden. Dafür gab es die Riesenscheren. Sie konnten Stücke von Stahlstangen von ungefähr 20 Zentimetern Querschnitt abschneiden. Das geschah jedesmal mit einem lauten Knall.
War etwas kaputt, musste ich es reparieren. Wenn an der Schere der Anschlagbolzen abgebrochen war, was ziemlich häufig passierte, dann ging ich mit einem Schild „Reparatur – nicht einschalten“ zu der Ma-
schine hin, schaltete sie aus, hängte das Schild über den Ausschaltknopf und ging erstmal einen Kaffee trinken.
Denn es dauerte zwanzig Minuten, bis die Maschine still stand. An einer Maschine, an der sich noch etwas drehte, durfte nicht repariert werden.
War der Kaffee ausgetrunken und die Maschine zum Stillstand gekom-
men, drehte ich den Stummel des Anschlagbolzens heraus und einen neuen Bolzen hinein.
Reparatur beendet.

Von dem Werkmeister, der für die Scheren zuständig war, kaufte ich übrigens das erste Kinderbett meines Sohnes und transportierte es zu-
sammen mit der Matratze zu einem großen Paket zusammengeschnürt mit Bus, Bahn und Straßenbahn von Ludwigsfelde nach Potsdam.

Die Texte