Wege und Bäume
Salzburg
Mein Wanderweg soll mich heute auf eine Empfehlung hin zum
Salzburgblick führen. Einerseits der Wanderung selbst wegen,
andererseits aber auch, um zu überprüfen, ob die Bezeichnung stimmt.
Ich komme an neu gebauten Häusern vorbei, die sich hinter dichten
Hecken verstecken. Die Bewohner haben die Hainbuche als Hecke gewählt,
wohl auch, weil sie wissen, dass das vorjährigen trockene Laub an den
Zweigen hängen bleibt. Es sind allerdings schon die speerspitzenartigen
neuen Knospen im Gewirr der braunen Altblätter zu sehen. Der
Frühlingswind wird schon bald dafür sorgen, dass neues Grün die
Oberhand an der Hecke gewinnt.
Mein Weg führt durch den Wald und an Wiesen vorbei stetig höher hinauf.
Ich beobachte die verschiedensten Pflanzen. Im Wald blühen an feuchten
Stellen gleich neben Rinnsalen die goldgelben Sumpfdotterblumen in
wagenradgroßen Flecken. Am Wegesrand beginnen die neuen Grashalme sich
durch den braunen Filz des Vorjahresgrases zu schieben.
Auf den Wiesen und an den Wegrainen blühen in unendlicher Zahl die
Gänseblümchen. Mir fällt auf, dass viele ihrer halb geöffneten Blüten
leuchtend rote Spitzen haben, die ich bei den voll erblühten Blümchen
nicht mehr sehe. Wohin wohl mag sich die rote Farbe verflüchtigt haben?
Den umgekehrten Vorgang kenne ich aus meiner Kindheit. Wir stellten
manchesmal Margeritten in mit blauer Tinte eingefärbtes Wasser und
beobachteten dann, wie sich die weißen Blütenblätter vom Ansatz her
hellblau verfärbten.
Am Hang des Berges, auf dessen Höhe der Salzburgblick sein soll, frage
ich eine Frau, die gerade ihre Enten füttert, in welche Richtung denn
wohl Salzburg zu sehen wäre. Sie führt mich um den Entenstall herum an
den Rand des Gartens und zeigt mir die Richtung. Der immer noch
vorhandene Nebel des Morgens trübt die Sicht derart, dass man Salzburg
nicht einmal erahnen kann. Es hat keinen Zweck, den Berg noch höher
hinauf zu steigen. Ich kehre also um.
Wenigstens kaufe ich der Frau vorher noch ein Glas Waldhonig ab.
Und am späten Nachmittag dann werde ich doch noch Salzburg mit seinem
weißen Schloss sehen können.
Allerdings von einem anderen Berg aus.
________________________
Birnbaum
Nachdem ich mich den von den mahlenden Rädern der Forstfahrzeuge
furchtbar zugerichteten Waldweg den Berg hinaufgequält habe, endet der
Wald plötzlich kurz vor der Kuppe des Berges. Dort oben steht, unweit
des Gehöftes ein mächtiger Baum. An den Stamm ist ein Schild genagelt
auf dem unter der Silhouette eines Seeadlers das Wort „Naturdenkmal“
geschrieben steht. Der dicke Stamm teilt sich in nicht allzu großer
Höhe in mehrere mächtige Äste, die eigentlich jeder für sich ein
eigener Baum sein könnten. Zwischen zweien dieser dicken Äste sind
mehrere eiserne rostige Rohre im Trittabstand in das Holz eingewachsen.
Es gibt sie demnach schon sehr lange. Sicher dienen sie als Stufen für
den Aufstieg. An den Spitzen der Zweige sind unzählige dicke pralle
Knospen, denen man es ansieht, dass nur noch einige Sonnentage fehlen
bis zum Aufplatzen. Ich frage eine Frau mit Kopftuch und Gummistiefeln,
die sich in ihrem Hausgarten zu schaffen macht, was das für ein Baum
ist.
Es ist ein Birnbaum.
Es ist der größte Birnbaum Deutschlands.
Er ist sicher an die einhundertfünfzig Jahre alt.
Ich bin beeindruckt.
Das Schild übrigens, das als Hinweis dient für den Wanderweg Nr. 5, ist
mit
Drahtschlingen an einem der sowieso schon vorhandenen Eisenrohre
befestigt. Wohl um das Denkmal nicht noch mehr durch Nägel oder
Schrauben zu beschädigen.
Naturschutzdenken.
|
Die Texte
Wege
Der
Laden & Hagebutten
Rinnsal
& Lebenskraft
Pritzhagen
& Efeu
Neubürg
& Küchenschelle
Herzen
& Regen
Primula
& Vogelbeeren
Salzburg
& Birnbaum
Panke
& Gene
Bärlauch
& Kurzzeitgedächtnis
|