Wege und Bäume
Neubürg
„Zu diesem Berg müssen sie unbedingt gehen.“
Das wenigstens hatte mir die Frau gesagt, bei der ich ein Zimmer
gemietet hatte. Ich gehe, bewaffnet mit meinem Neuerwerb, den
Walkingstöcken, los. Der Weg ist ziemlich anstrengend.
Einige hundert Meter vor dem Gipfel des Berges an einem Rastplatz,
mache ich eine Pause.
Dort treffen fünf Wege aufeinander, der eingeschlossen, den ich
gekommen war.
Ist es Inspiration, ist es Intuition, ich wähle den richtigen Weg.
Auf der Kuppe des Berges sind etliche Skulpturen aufgestellt. Später
werde ich feststellen, dass es sich um den Kunstraum Neubürg handelt.
Eine von ihnen erinnert mich an einen Trinkbecher, den ich als Kind für
das Ferienlager bekommen hatte. Er bestand aus lauter Ringen, die
ineinanderzuschieben waren.
Das Kunstwerk besteht auch aus lauter Ringen. Allerdings sind diese
viel größer und aus einem Holzstamm ausgeschnitten.
Der Ausblick ist so, wie ihn die Frau beschrieben hatte. Ich kann in
der Ferne den höchsten Berg dieser Gegend sehen. Seinen Namen habe ich
vergessen.
Ich kann den Weg erkennen, den ich gekommen war. Und ich kann die
Abkürzung zum Gipfel sehen, die ich hätte gehen können. Aber ich sehe
auch, dass dieser Abkürzungsweg mit Sicherheit anstrengender gewesen
wäre, als der, den ich gewählt habe.
Der Rückweg führt mich in den Ort, der sich am Fuße des Berges befindet.
Es ist Zeit für das Mittagessen.
In dem Ort gibt es kein Gasthaus mehr.
Seit zwei Jahren nicht mehr.
Mein Wanderführer muss älter sein.
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Küchenschelle
Ich gehe aus der Stadt hinaus durch einen waldigen Weg den Berg hinauf.
Auf der Ebene angelangt, lenke ich meine Schritte durch herbstliche
Wiesen und Felder zu dem kleinen Ort, der, wie so viele in dieser
Gegend eine eigene Brauerei hat.
Das Fremdenverkehrsamt übrigens wirbt damit, dass hier die größte
Brauereidichte Deutschlands wäre. Biergegend.
Auf meinem Weg begegnet mir mehrmals ein Traktor mit riesigen Rädern,
der einen Gülletank hinter sich herzieht. Schließlich erreiche ich die
Brauerei und kehre ein in die dazugehörende Gastwirtschaft. Nachdem ich
das Bier gekostet und auch einige Flaschen in meinem Rucksack verstaut
habe, gehe ich einen anderen Weg zurück. Auch deshalb, weil durch die
Vormittagsarbeit des Traktorfahrers ein ziemlich übler Gestank über die
Felder weht.
Der Weg führt an einem Gartengrundstück mitten im Wald vorbei. Am Hang
gegenüber, der ziemlich steil nach oben in den Wald führt, sehe ich
einige Blumen mit hellvioletten, innen fast weißen Blüten. Ich erklimme
den Hang und schaue sie mir näher an. Ich kenne diese Blumen nicht. Den
ganzen Rest der Wanderung versuche ich links und rechts des Weges noch
mehr dieser Blumen zu entdecken.
Ich habe kein Glück.
Vielleicht, so vermute ich, hat der Gartenbesitzer überzählige Pflanzen
außerhalb seines Grundstücks eingepflanzt oder weggeworfen.
Mein schlaues Büchlein belehrt mich später: Es ist eine Küchenschelle,
eine Pflanze, die in dieser Gegend, wenn auch selten, durchaus zu Hause
ist.
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Die Texte
Wege
Der
Laden & Hagebutten
Rinnsal
& Lebenskraft
Pritzhagen
& Efeu
Neubürg
& Küchenschelle
Herzen
& Regen
Primula
& Vogelbeeren
Salzburg
& Birnbaum
Panke
& Gene
Bärlauch
& Kurzzeitgedächtnis
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