Vergangene Erinnerung
Adonisröschen
In der Zeitung hatte gestanden, die Blüte der Adonisröschen im unteren
Odertal stünde noch bevor.
Ich bin unterwegs mit dem Fahrrad. Ich fahre den Weg an der Wuhle
entlang.
Das Flüsschen wurde renaturiert. In der Vergangenheit wurden
die gereinigte Abwässer aus dem Nordosten der Stadt durch dieses
Flüsschen
zur Spree nach Köpenick geleitet. Damals glich es eher einem Kanal.
Jetzt hat man dem Flusslauf künstlich wie-
der einen natürlichen Lauf
verpasst.
An den Ufern sehe ich kleine gelbe Blüten in regelrechten Nestern. Ich
denke mir, dass die Zeitung doch nicht alles wissen kann. Die
Adonisröschen blühen schon an den Uferböschungen der Berliner Flüsse.
Auf dem Rückweg halte ich an und sehe mir die Adonisrös-
chen-Nester an.
Es sind Huflattichblüten.
Die Zeitung hatte wohl doch recht.
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Wildschwein
Ich war auf dem in der Karte eingezeichneten Radweg in die ehemalige
Kreisstadt gefahren. Beim Besichtigen der dortigen Kirche wurde ich
wieder einmal an den Roman „Säulen der Erde“ erinnert. Das geht mir
meist so, wenn ich solche alten Kirchen besichtige.
Auf dem Rückweg bemerke ich ein Wegzei-
chen aus Stein an einer Gabelung.
Der Pfeil weist nach rechts zum Nachbarort meines Zieles hin. Es ist
ein Waldweg, der von den Rädern der Fahrzeuge hergestellt worden ist,
die in den Wald zur Arbeit fahren. Der Hinweis auf dem Stein verheißt
einen um sechs Kilometer kürzeren Weg. Das gibt den Aus-
schlag. Ich
nehme diesen Weg. Er schwingt sich im Auf und Ab durch den Wald und
wird immer düsterer, je weiter ich mich vom asphaltierten Radweg
entferne. Der Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass dunkle Wolken
rasch über das Stück Himmel ziehen, das über mir als eine Schneise
sichtbar ist. Ich nehme mir gerade vor, auf einem leicht abschüssigen
Stück eine Pause einzulegen, um meine Beine auszuruhen, da sehe ich es.
In einiger Entfernung vor mir hat ein Wildschwein den Weg betreten. Ich
betätige mit voller Wucht die Bremsen. Mit schlin-
gerndem Hinterrad
komme ich zum Stehen. Hinter dem Wild-
schwein kommen sechs Frischlinge
aus dem Wald. Es ist eine Bache, ein gefährliches Tier, wenn es Junge
hat. Sie hat mich gesehen und bleibt stehen. Plötzlich kommt sie auf
mich zu gerannt. Ich stelle das Fahrrad quer vor mich hin und halte es
wie einen Schild fest am Lenker und am Sattel gepackt. Ich schreie vor
Angst laut und beschimpfe das Tier mit Worten, die ich besser nicht
aufschreibe. Schon sehe ich mich im Sand des Weges liegen, die Bache
über mir. Fast glaube ich den Atem und die Hauer des Tieres zu spüren.
Die Angst hat mich voll im Griff. Da plötzlich bleibt das Tier stehen.
Ich höre ein ängstli-
ches Quieken der Kleinen. Die Bache stutzt, grunzt
kurz, dreht sich um und rennt zu ihren Kindern. Mit denen verschwindet
sie im Wald.
Mit schloddernden Knien fahre ich nach einiger Zeit weiter und erreiche
bald darauf eine Kopfsteinpflaster-
straße in einer lichteren Waldgegend,
die mich an mein Ziel bringen soll.
So schön gruselig sich die Geschichte auch anhört, ich hatte sie
während meiner Fahrt durch den Wald nur in meiner Fantasie erlebt.
Zum Glück.
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