Vergangene Erinnerung
Buchwalde
Jeder Mensch hat normalerweise zwei Großmütter.
Eine meiner Großmütter war die Buchwalder Omi.
Buchwalde ist mein Geburtsort.
Es ist ein Straßendorf.
Wenn man von der Stadt kommt, führt die Straße, links wie rechts
gesäumt von Linden, geradeaus durch das Dorf. Sie führt vorbei am
Feuerwehrhaus und an den Drei Linden, dem
Dorfgasthof, der seinen Namen den drei Linden verdankt, die schon lange
nicht mehr davor stehen.
In der Höhe vom ältesten Haus des Ortes, Slomkas Haus genannt,
vor dem eine große Eiche steht, die den älteren Einwohnern als
Friedenseiche bekannt ist, hört die Lindenallee auf und die Straße
gabelt sich.
Nach links führt die im Ortsdialekt so genannte Kleenkoschna
Stroaße in Richtung des
Nachbarortes Kleinkoschen an dem Haus vorbei, in dem ich geboren wurde.
Verfolgt man aber die Hauptstraße weiter, liegt rechts als letztes
Grundstück das Gehöft meiner Großeltern.
Kurz danach steht dann das Ortsausgangsschild.
Komischerweise heißt die Straße Buchwalder Straße.
Das ist seltsam, denn normalerweise gibt es in einem Ort nur selten
eine Straße, die nach eben diesem Ort benannt ist. Vielleicht hieß sie
ja früher einfach nur Dorfstraße. Sie führte einmal
geradeaus durch die Wiesen und Felder nach Großkoschen. Es gibt diese
Straße so nicht mehr. Zuerst war es ein Tagebau, der der Straße eine
neue Trasse aufzwang. Heute müsste man mit dem Boot über den See
fahren, wollte man die alte Trasse benutzen.
Es gibt Buchwalde heute nicht mehr.
Es existiert nur noch im Wortschatz der dort Lebenden und in den
Gedanken derer, die etwas damit verbinden.
In ihren Erinnerungen.
Die benachbarte Stadt hat das Dorf in den
fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgesogen .
________________________
Kolonialwaren
In der Zeit meiner Kindheit gab es in meinem Geburtsort einen kleinen
Laden, dessen Tür und das daneben befindliche Schau-
fenster
waren
überspannt von einem alten Ladenschild. Darauf stand das Wort
»Kolonialwaren« in Buchstaben, die kannte ich nur aus dem Sagenbuch
meiner Oma mit dem Titel »Genoveva« und aus der Bibel.
Ich wusste allerdings nicht, was das hieß: »Kolonialwaren«.
Ich wusste nur, dort gab es traumhafte Sachen. Spielzeuge, von denen
ich nur träumen konnte, denn dafür war kein Geld vor-
handen. Ein
Spielzeug allerdings bekam ich einmal geschenkt.
Einen Klettermaxe.
Das war eine kleine Leiter aus Holz auf die man oben eine Figur – auch
aus Holz – setzte. Diese Figur kletterte dann gewissermaßen die Leiter
Sprosse für Sprosse nach unten.
Welchem Umstand es zu verdanken war, dass ich den Kletter-
maxe geschenkt
bekam, weiß ich nicht mehr.
Viele Jahre später, die Wende hatte die Westmark gebracht, sehe ich in
einem Spielzeugladen einen solchen Klettermaxe und kaufe ihn für den
ersten Enkel.
Dass »Kolonialwaren« ein Begriff ist, der auf die Zeit hindeutet, in
der der deutsche Kaiser noch Besitzer von Kolonien war, habe ich erst
viele Jahre später erfahren.
|
Die Texte
Entree
Buchwalde
& Kolonialwaren
Sense
& Vertiko
Holzpantinen
& Segelflieger
Schafe
& Horizont
Thörnsee
& Haubentaucher
Apfelblüte
& Korkenzieherweide
Klinker
& Linde
Adonisröschen
& Wildschwein
Abstieg
& Bildhauer
|