14 Werkzeuge und Erlebnisse mit diesen
Schraubenzieher
An einem Abend im November vor siebenundzwanzig Jahren sagte ein
Politiker aus der DDR im Fernsehen auf die Frage, ab wann denn das neue
Reisegesetz gelten solle: „Sofort! Unverzüglich!“.
Daraufhin machten sich einige tausend Menschen auf den Weg an die
Grenze. Sie standen mit und ohne Autos am Grenzübergang Bornholmer
Straße im ostberliner Pankow und wollten ins benachbarte
westberliner Reinickendorf. Ein paar Stunden hielten die
Grenzsoldaten noch durch, dann öffneten sie die Grenze. Heute sieht man
nicht mehr, wo diese Grenze einmal war. Nur solche doppelten
Pflastersteinstreifen quer über die Straße markieren heute noch den
Grenzverlauf.
Aber da muss man auch wissen, wo man gucken soll.
Im Radio und Fernsehen wurde paar Tage später gesagt, jeder DDR-Bür-
ger bekäme 100 D-Mark Begrüßungsgeld. Er müsse sie sich nur in
Westberlin abholen. Der Ansturm ging los. Aber ohne mich.
Ich wartete eine Woche, ehe ich mich dann doch auch auf den Weg machte.
Mit der Straßenbahn ging es zur Grenze. Als ich ausstieg, sah ich es
schon. Eine Riesenschlange am Übergang. Die Grenzer waren noch da,
guckten aber mehr oder weniger lustlos nach, ob man einen Ausweis dabei
hätte und winkten die Massen durch.
Gleich hinter dem Grenzübergang konnte man einen Stadtplan von ganz
Berlin geschenkt bekommen. Ich nahm das Angebot an. Paar hundert Meter
weiter war eine Dresdner Bank.
Nein, keine Parkbank aus Dresden, sondern ein Geldinstitut. Dort
stellte ich mich in die Reihe. Dort bekam ich einen Becher Kaffee
geschenkt. Dort bewegte ich mich aber lange Zeit nicht von der Stelle.
Ich scherte aus und marschierte zur Sparkasse, die in der nächsten
Querstraße lag. Auch eine lange Schlange. Aber kein Kaffee. Auch hier
keine merkliche Vorwärtsbewegung. Nach zwei Zigarettenlängen gab ich
auf.
Ich dachte, vielleicht ist es ja weiter weg von der Grenze nicht so
voll.
Also ab in den Untergrund zur U-Bahn.
Damit konnte ich als DDR-Bürger damals kostenlos fahren.
Die Bahn fuhr nach Tegel. An der Endstation kam ich wieder an das
Tageslicht. Gleich an der Ecke sah ich eine Sparkasse. Und ich sah die
lange Schlange davor. Aber vorne an der Tür klebte ein Zettel. Er war
so weit weg, dass ich nicht lesen konnte, was drauf stand. Ich ging an
der Schlange entlang nach vorne.
Da war was los: „Hinten ist das Ende!“, „Hinten anstellen!“, „Nicht
vordrängeln!“, das waren noch die Worte, die ich hier abdrucken kann.
Ich ging unbeeindruckt zur Türe und las: „Nächste Bank 400 Meter!“.
Darunter ein Pfeil nach links.
Ich ging dort hin. In der Bank war eine einsame Frau, die ihre
bestellten indischen Rupien abholen wollte. Sonst nur Bankangestellte.
Ich bekam ohne Wartezeit mein Begrüßungsgeld. 100 Westmark.
Damit ging ich vorbei an der Warteschlange von vorher in die Einkaufs-
straße von Tegel. Dort sah ich einen Satz Schraubenzieher
im Schaufen-
ster eines kleinen Geschäftes. Den wollte ich kaufen.
Es war ein solcher Feinmechanikerschraubenziehersatz, bestehend aus
fünf Schraubenziehern und einem Teil, das vorne dran ein schwarzes
rundes Dingens statt der Schraubenzieherklinge hatte.
Ich fragte den Verkäufer, was das wäre. Er wusste es nicht. Ich wusste
es schon, ich wollte ihn einfach nur mal testen.
„Haben Sie eine Büroklammer?, fragte ich. Er kramte eine hervor. Ich
hielt das Dingens in die Nähe
und - schwupps –
hüpfte die Büroklam- mer in die Höhe.
Es war ein kleiner Magnet, mit dem man die kleinen Schräubchen, für die
die kleinen Schraubenzieher gedacht waren, dort hervorholen konnte, wo
sie hineingefallen waren.
Dafür also gab ich die ersten 2,95 Mark meines schönen Westgeldes aus.
Und ich brauchte fortan nicht mehr zum Optiker zu laufen, um die
Brillenbügel festziehen zu lassen, sondern konnte das nun selber tun.
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Die Texte
Hammer
Zange
Schere
Feile
Schraubenschlüssel
Spaten
Spitzhacke
Stahlmaß
Bohrmaschine
Wasserwaage
Laubsäge
Meißel
Schraubenzieher
Taschenrechner
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