Schulzeit
Zehn
Einen Beruf erlernen. Das war der Wunsch vieler in meiner Klasse. Doch
nach dem Abitur sollten die meisten studieren. Aber ein Beruf wäre doch
auch nicht schlecht. Als Absicherung quasi, falls mit dem Studium
irgendwas schief gehen sollte. In dem Jahr, als ich in der Klasse 10
war, bekamen die Schüler eine Klasse unter uns die Möglichkeit, neben
dem Abitur einen Beruf zu erlernen. Das war ein Modell, das nach
einigen Jahren wieder abgeschafft wurde und „Abitur mit
Berufsausbildung“ hieß. Man ging zur Schule und lernte so nebenher im
Betrieb den Beruf.
Das umgedrehte gab es schon etliche Jahre als „Berufsausbildung mit
Abitur“. Diejenigen, die das machten, gingen in den Betrieb zur
Lehrausbildung und legten in der Berufsschule das Abitur ab. Unser
Direktor-Stellvertreter machte es dann auch für uns möglich, in diese
Ausbildung einzusteigen. Etliche Betriebe stellten Plätze zur
Verfügung. Zuerst entschied ich mich, Maschinist für Tagebaugroßgeräte
- also schlicht Baggerfahrer - zu werden. Dann kam ein Betrieb hinzu,
der Schlosser ausbildete. Ich entschied mich um. Plötzlich gab es noch
die Möglichkeit, Elektriker zu werden. Weil ich mich aber schon einmal
umentschieden hatte, wollte ich einen zweiten Wechsel nicht mehr machen
und wurde Schlosser.
Dazu sagte meine Mutter scherzhaft:
Lerne erstmal einen anständigen Beruf. Elektriker
kannst du dann später immer noch werden.
Elf
Das wäre das Erlebnis geworden.
Ich auf dem Segelschulschiff "Wilhelm Pieck", kurz "die Wilhelm"
genannt. Heimathafen Greifswald-Wieck an der Ostsee. In meiner Schule
existierte schon seit vielen Jahren eine Seesporttruppe und diese
gewann schon fast automatisch dauernd die Meisterschaften des Landes
sowohl bei den Mädchen, als auch bei den Jungen. Diese Wettkämpfe
fanden immer in Warnemünde statt. Vom Musiklehrer und von den beiden
Sportlehrern wurden die Mannschaften geleitet. Nun sollten einige
Schüler für vier Wochen auf die "Wilhelm" und mit ihr bis in den
Skagerak über die Ostsee segeln.
Auf diesem Schiff war ich schon einmal in der neunten Klasse. Das war
der erste Kurs der Seesportler, die neu hinzugekommen waren. Wir
lernten dort Kutterrudern und die ersten seemännische Kenntnisse. Zuvor
wurden wir mit Seemannshose und Matrosenbluse und Käppi ausstaffiert.
Fast allen waren die Sachen zu groß. Wir waren fast alle zu schmächtig.
Die Hosen hielten nur, weil wir Strippe als Gürtelersatz nahmen. Bevor
wir rudern konnten, mussten erst einmal die Kutter in Schuss gebracht
werden. Mein Bootsführer sprach zu mir: Geh mal auf die
Wilhelm und hole vom Bootsmann Pütz, Feudel und Ösfass.
Ich wollte wissen, wie ich den Bootsmann erkenne. So ein
Großer mit Vollbart, war die Antwort. Und was sind
diese komischen Dinge? fragte ich. Der Bootsführer: Pütz,
Feudel und Ösfass? Wirst du schon sehen, wenn er sie dir gibt.
Ich ging los. Kaum auf dem Segelschiff angekommen, schlug ich lang hin.
Ich hatte ein Rohr übersehen, das so ungefähr zehn Zentimeter über dem
Deck meinen Weg querte und lag nun flach auf dem Deck. Ein Kopf mit
einem Vollbart dran guckte daraufhin aus einer Tür. Der Krach hatte den
Bootsmann neugierig gemacht. Ich verlangte, was mir aufgetragen worden
war.
Und ich erhielt einen Eimer, einen Lappen und eine hölzerne Schaufel
zum Ausschöpfen des Wassers aus dem Kutter.
Die Segeltour über die Ostsee fand dann aber ohne mich statt, denn
meine Leistungen in der Schule waren nicht gut genug für vier Wochen
Schulunterbrechung.
Schade.
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Zwölf
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