Schulzeit
Vier
In der vierten Klasse gab es eine Besonderheit. Es waren vier Mädchen
in der Klasse mit dem gleichen Vornamen. Vier Mädchen der Klasse 4
hießen Monika. Das war wahrscheinlich zustande gekommen, weil jemand
zugezogen war. Der Zustand hielt aber nicht lange an, denn eine Familie
mit einer Monika "haute ab". Was bedeutete, sie zog in den Westteil
Deutschlands. Die Mauer gab es da noch nicht.
Wir Kinder hatten mit der vierfachen Anzahl der Vornamen keine
Schwierigkeiten, wurden doch die, die sich nicht mit einem Spitznamen
schmücken konnten, sowieso nur nach den Familiennamen die
Schulzen, die Schmidten, die Lehmann' benannt.
Das wurde uns erst abgewöhnt in der siebten Klasse, weil unser
Klassenlehrer das nicht durchgehen ließ und weil da plötzlich die
Mädchen anfingen, als weibliche Wesen interessant zu werden.
Mein damaliger Spitzname war Charlie.
Und zwar des Schauspielers wegen, der Charlie Chaplin hieß. Wir konnten
ja kein Englisch und sprachen den Namen wie Schapplin aus.
Das erklärt es doch.
Oder?
Fünf
Die Fünf war nicht nur die schlechteste Zensur, die man kriegen konnte,
sondern auch die Klasse, in der man die Unterstufe hinter sich gelassen
hatte. Wir bekamen neue Fächer.
Eines davon war die obligate Fremdsprache in allen Schulen. Ab Klasse 5
hatte man Russisch.
Ich weiß noch, dass ich dachte, wenn man die deutschen Worte einfach
mit kyrillischen Buchstaben schreibt, das wäre Russisch. Als erstes
schrieben wir mit den neu gelernten russischen Buchstaben die uns
bekannten obszönen Worte, genannt Ausdrücke an die
schwarzroten Klinkerziegel der Mauern und Zaunsäulen, die sich auf dem
Nachhauseweg dafür anboten.
Die Lehrerin, die uns unterrichten musste, kannte Russisch nur aus
ihrer Studienzeit. Sie hatte es nicht leicht mit mir und meinen
Mitschülern. Sie unterrichtete uns zwei Jahre lang. Dann kam ein
richtig ausgebildeter Russischlehrer. Und wir stellten erschreckt fest,
dass wir die wenigsten Worte richtig aussprachen. Die bisherige
Lehrerin hatte die Worte gesprochen, wie sie geschrieben wurden. Und
das ist im Russischen, wie auch im Englischen oder Französischem fast
nie der Fall. Wir mussten die Sprache quasi erneut lernen.
In Klasse fünf wurde ich Junger Sanitäter. Das war die
Kinderorganisation im Roten Kreuz. Ich lernte dort theoretisch den
Inhalt des menschlichen Körpers kennen. Ich lernte die vielen
Möglichkeiten, eine Wunde zu verbinden oder einen Knochenbruch zu
schienen. Die Übungsbinden ähnelten solchen elastischen Binden, die man
noch heute benutzt, wenn man sich etwas verstaucht hat. Allerdings
hatten sie an den beiden Rändern rosa oder blaue Streifen, damit man
sehen konnte, ob der Verband korrekt angelegt war. Ich könnte heute
noch die meisten dieser Verbände anlegen. Obwohl es nicht mehr nötig
ist, so etwas zu können, weil der Notarzt so schnell am Unfallort ist,
dass man es nicht schafft, den Verband vorher fertig zu kriegen.
Vor einigen Monaten traf ich zufällig einen sehr bekannten
Sportreporter aus der verflossenen DDR und grüßte ihn freundlich. Er
war erstaunt und fragte mich, ob er mich kennen müsse. Ich sagte ihm,
dass wir einmal vor vielen Jahren nebeneinander auf einer Bank gesessen
hätten im Stadion meines Heimatortes. Ich war damals mit weißem Hemd
und blauem Pionierhalstuch bekleidet und mit einer dieser braunen
Sanitätertaschen ausgestattet als Junger Sanitäter im Fußballstadion.
Er saß mit einem Mikrofon an einer endlos langen Strippe neben mir und
kommentierte für das Radio das Spiel.
An mich konnte er sich natürlich nicht erinnern.
Eigentlich nicht verwunderlich.
Doch ich an ihn sehr wohl.
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Die Texte
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Vier
& Fünf
Sechs
& Sieben
Acht
& Neun
Zehn
& Elf
Zwölf
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